Genau in der Geschlechts- und Altersklasse, in der noch vor zwei Jahrzehnten zunächst die Führerscheinprüfung und dann am besten sofort auch das eigene Auto Maß aller Dinge war, sind die Autobesitzer zumindest in den Städten inzwischen nur noch eine Minderheit. Während die Autonutzung bei den über 60-Jährigen derzeit noch weiter steigt, sinkt sie bei den unter 30-Jährigen teilweise erheblich. Stattdessen werden viel stärker der öffentliche Personennahverkehr und das Fahrrad benutzt. Für das Auto bleibt dabei vor allem die Rolle als geräumiges Gefährt für größere Besorgungen, Wochenendausflüge und Urlaube. Car-Sharing-Konzepte sind in vielen Städten auf dem Vormarsch.
Mit Blick auf die Entwicklungen der jüngeren Vergangenheit lässt sich inzwischen vielerorts von einer Renaissance der Stadt sprechen. Gerade auch im Zeitalter des demographischen Wandels wird die gute und schnell erreichbare Infrastruktur der Städte zunehmend wertgeschätzt. Diese Renaissance ist jedoch kein Selbstläufer. Nachhaltig kann sie nur dann sein, wenn entsprechende Lebensqualität im städtischen Raum vorhanden ist und offensiv weiter verbessert wird. Neben Themen wie Arbeitsplatzsicherung, Bildung, Kulturangebot, Integration und Stadtgestaltung nimmt dabei die zeitgemäße städtische Verkehrspolitik eine Schlüsselrolle ein: Sie soll die Teilhabe der gesamten Bevölkerung am urbanen Leben ermöglichen, die Ressourceneffizienz steigern, den Platzbedarf des Verkehrs verringern und den öffentlichen Raum nicht allein Verkehrszwecken unterordnen, damit die Stadt erlebbar bleibt. Das Zauberwort dabei ist die Multimodalität: Gefördert wird nicht nur ein Verkehrsmittel, sondern jedes dort, wo es sinnvoll ist. Und im städtischen Raum sind dies eben vor allem die nichtmotorisierten Verkehrsmittel für kurze Wege sowie der öffentliche Personennahverkehr für alltägliche Fahrten in die Zentren.
Was für das Wohnen und Leben in der Stadt wichtig ist Ι Die Stiftung Zukunftsfragen, eine Initiative von British American Tobacco, untersuchte 2005 die Wunschvorstellungen der urbanen Bevölkerung in Deutschland. Eine Spitzenstellung in der Wertschätzung und Wichtigkeit erreicht dabei ein gutes öffentliches Nahverkehrsangebot. Dagegen taucht das Automobil in der Prioritätenliste überhaupt gar nicht auf. Vielmehr wünschen sich zwei Drittel der Befragten ein abwechslungsreiches Leben auf Straßen und Plätzen und immerhin noch die Hälfte eine autofreie Innenstadt, beides Punkte, die einer autoorientierten Stadt diametral entgegenstehen.
Die Zukunft urbaner Mobilität
In den 1970er-Jahren galt die klassische europäische Stadt als gefährdete Existenz. Der Deutsche Städtetag forderte 1971 in höchster Alarmstimmung „Rettet unsere Städte jetzt!“ Immer mehr Menschen zogen ins Grüne, das Einfamilienhaus im suburbanen Umland war die allgemeine gesellschaftliche Idealvorstellung und eine ganze Generation setzte bei ihren Mobilitätsvorstellungen fast ausschließlich auf das Automobil. Für die Städte blieb die Rolle als Arbeitsplatzstandort und Einkaufszentrum. Immer mehr Verkehr führte zu immer weniger Wohnwert und weiterer Bevölkerungsverlagerung, es entstand ein Teufelskreis. Inzwischen wird es aber immer deutlicher, dass sich diese Entwicklung langsam umkehrt. Seit einigen Jahren ist vielerorts ein Trend zurück in die Stadt klar ersichtlich. Junge Familien ziehen nicht mehr automatisch ins Umland, Auszubildende und Studierende bleiben bei Berufseinstieg in der Stadt und Senioren kommen dank der kürzeren Wege zurück.
Gleichzeitig ändert sich das städtische Mobilitätsverhalten. Die auf ihr eigenes Fahrzeug fixierte „Generation Auto“ wandert in den Ruhestand, und bei jüngeren Menschen zeigt sich stattdessen eine viel diversifiziertere Verkehrsmittelnutzung. Gebrauch gemacht wird von dem Verkehrsmittel, welches für den speziellen Fahrtzweck gerade sinnvoll erscheint. Viele Menschen verzichten dabei inzwischen ganz auf ein eigenes Automobil. So ging der Fahrzeugbesitz bei deutschen Männern von 18 bis 29 Jahren zwischen den Jahren 2000 und 2010 gemäß Statistik des Kraftfahrt-Bundesamtes um 34% auf nur noch 344 statt vorher 518 Pkw pro 1000 Einwohner zurück.
Saarbrücken | Das Automobil ist in vielen deutschen Städten auf dem Rückzug: Ein zunehmend größer werdender Teil der städtischen Bevölkerung verzichtet inzwischen auf einen eigenen PKW, vor allem dort, wo attraktive öffentliche Nahverkehrssysteme bestehen. Ein Beispiel dafür ist Saarbrücken, wo der öffentliche Verkehr nach der Wiedereinführung der Straßenbahn im Jahre 1997 in wenigen Jahren seinen Marktanteil um etwa ein Drittel steigern konnte.